Sünde
Die Vollkommenheit unseres Gehorsams vor unserem himmlischen Vater liegt nicht so sehr im Erreichen als im Bestreben. Zurückhaltung verdirbt den Gehorsam. Es kann sein, dass wir mit der äußerlich sichtbaren Sünde ehrlich umgehen und dennoch nicht geschickt und wirksam handeln, weil wir die tiefen Wurzeln des Bösen im Innern nicht angreifen.
Gott als unser Vater in Christus Jesus macht uns zwar nicht für die innewohnende Sünde verantwortlich; aber er verlangt, dass wir gegen sie ankämpfen.
Es ist eine Sache, vor den Menschen untadelig zu sein, und eine andere, den vollkommenen Gehorsam anzustreben, den Christus dem Vater geleistet hat: „Ich tue allezeit, was Ihm gefällt.“
Das erste Zeichen des geistlichen Lebens in der Seele ist im Allgemeinen der Aufschrei der Verzweiflung beim Anblick dessen, was vorher nie Mühe bereitet hat - die Verunreinigung durch die Sünde. Der rein natürliche Mensch mag sich vor der Strafe der Sünde fürchten, ihre Unreinheit kann er nicht fühlen, er kann sie nicht erkennen.
David sagte: „Der Schrecken hat mich ergriffen wegen der Gottlosen, die dein Gesetz verlassen.“ Wenn wir geistlich gesinnt sind, werden wir in gleicher Weise über die Unbekehrten trauern. Lot erkannte nicht wie Abraham den Zustand Sodoms, weil er, ohne Gottes Führung, darin war, und leider zu sehr.
Gott möchte, dass wir die Sünde immer in ihrer Verunreinigung und Schuld sehen und sie als etwas behandeln, das gegen ihn getan wurde (Ps. 51,4.)1.
Diejenigen, die die Gottheit Christi und die Sühne durch sein Blut leugnen, kennen ihre Krankheit nicht; und solche brauchen weder den Arzt, den Gott gesandt hat, noch das Heilmittel, das Gott bereitgestellt hat.
Es ist ein großer Grundsatz der Regierung Gottes, dass eine Sünde, die nicht bereut wird, zu einem Samen wird, der sich stark vermehrt.
Das schlaffe Gewissen, das die ewige Strafe der Gottlosen in Frage stellt, zeigt, dass die Seele den ernsten Umgang mit dem Tod des Gottessohnes am Baum und die Zeugnisse der Heiligen Schrift darüber vernachlässigt.
Die Sünde liegt nicht darin, versucht zu werden, sondern darin, der Versuchung nicht zu widerstehen. Der Herr Jesus selbst wurde versucht und erlitt aufgrund seiner Heiligkeit unaussprechliche Schmerzen, konnte aber nicht verunreinigt werden. In dem Maße, in dem wir seine Gesinnung haben, erleiden wir, seine Glieder, Schmerzen in der Versuchung; und je größer der Schmerz der Seele ist, desto geringer ist die Verunreinigung.
Wie wertvoll sind die Worte von Röm. 6,10.112! „Denn was er gestorben ist, ist er ein für alle Mal der Sünde gestorben […] so auch ihr.“ „was er aber lebt, lebt er Gott.“ Wir leben mit ihm für Gott. Er ist der Sünde gestorben, indem er für die Sünde gestorben ist. Sie wurde ihm einmal zugerechnet. Er tilgte sie durch das Opfer seiner selbst und lebt nun in der Herrlichkeit seines Sühneopfers zur Rechten Gottes. Der arme und bedürftige Mensch ist durch den Glauben an den Sohn Gottes in Christus als Christus vor Gott. Wird Christus jetzt keine Sünde zugerechnet? - so auch nicht dem Gläubigen. Ist Christus mit der Herrlichkeit seines Sühnopfers von Gott angenommen? - so auch der Gläubige. Die Erkenntnis dieser großen Dinge durch den Glauben ist der wahre Weg zur Abtötung der Sünde. „Die Sünde soll nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (V. 14)3.
Der Sünder glaubt, sich zu bessern, indem er diesen oder jenen Zweig seiner Sünde abschneidet; er weiß nicht, dass er damit nur die böse Wurzel nährt.
Je mehr Macht wir über die Sünde haben, desto unerträglicher empfinden wir ihre Last, und desto dringender suchen wir nach der Reinigung durch das Blut, das das Gewissen von seiner Verunreinigung reinigt.
Lassen wir uns nicht entmutigen durch die demütigenden Entdeckungen, die wir über die Übel unseres Herzens machen können. Gott kennt sie alle und hat das Blut seines Sohnes Jesus Christus bereitgestellt, um uns von allen Sünden zu reinigen.
Gott betrachtet unsere Sünden mit dem Herzen eines Vaters, aber nicht mit dem Auge eines Richters; denn seine sünden-sühnende Gerechtigkeit hat keine weiteren Forderungen: Das Kreuz hat Genugtuung geleistet.
Die Einbildungen des menschlichen Herzens sind immer nur böse. Oh, wenn wir uns dieser Wahrheit nähern würden! Wenn wir bereit wären, nach ihr gerichtet zu werden! Dazu muss es mehr geben als den eigenen Willen des Menschen; es muss das Wirken des Geistes Gottes geben.
Wir kennen die tiefen Geheimnisse des menschlichen Herzens kaum: Wegen unserer tiefen Sünde und unseres Stolzes ertragen wir die Zurechtweisung mit so viel Ungeduld; aber wenn wir eine gefährliche Krankheit hätten und es wüssten, würden wir uns nicht über den bitteren Geschmack und die lästigen Wirkungen der Medizin beschweren, die uns zur Heilung unserer Krankheit gegeben wird.
Römer 8,13.144: Ein einziger Schlag kann manchmal das Leben des Körpers nehmen; aber um die Sünde abzutöten, müssen wir immer schlagen, denn die Sünde kämpft immer.
Wenn wir mit der Sünde ringen, können wir sicher sein, dass wir früher oder später siegreich sein werden: Es gibt keine einzige Sünde, deren verderbliche Macht nicht überwunden werden kann (1. Johannes 1,7)5.
Die sogenannten unschuldigen Vergnügungen der Welt sind nur Erfindungen, um Gott zu vergessen.
Es liegt in der Natur der Sünde, durch kleine Anfänge große Macht zu erlangen.
Fußnoten
Psalm 51 4 Wasche mich völlig von meiner Schuld, und reinige mich von meiner Sünde!↩︎
Römer 6: 10 Denn was er gestorben ist, ist er ein für alle Mal der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott. 11 So auch ihr: Haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus!↩︎
Römer 6: 14 Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.↩︎
Römer 8: 13 denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben. 14 Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes.↩︎
1. Johannes 1: 7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.↩︎